Das schöne Lied vom „Türkentrank“
Manch einer wird sich erinnern, wie er vor Jahrzehnten am Lagerfeuer oder sonst wo den Kanon gesungen hat: „C-A-F-F-E-E, trink nicht zuviel Kaffee. Nicht für Kinder ist der Türkentrank, schwächt die Nerven, macht dich blass und krank. Sei doch kein Muselman, der das nicht lassen kann!“ Die Wirkung des Liedes wird allerdings wohl nur kurzzeitig gewesen sein; denn der Kaffee ist eines der beliebtesten Getränke. Und um Kaffee gern zu trinken, muss man kein Muselman sein.
Der Kaffee wurde in Äthiopien entdeckt, von wo noch heute der schmackhafteste Kaffee kommt. Wer vor zwei Jahren auf der Expo in Hannover war, konnte sich am Äthiopien-Pavillon selbst davon überzeugen. In Äthiopien und anderswo wird der Kaffeebaum, wenn er natürlich aufwächst, bis zu 20 m hoch. Wo er kultiviert wird, schneidet man ihn so, dass die Er4nte mit bloßen Händen möglich ist. Die Früchte sind zunächst gelblich und werden schließlich rot wie Kirschen; dann sind sie reif und werden geerntet. In einem ziemlich umständlichen Verfahren wird aus dem Fruchtfleisch die ziemlich unansehnliche Kaffeebohne gewonnen. Erst wenn man ihr die Feuchtigkeit entzieht und sie mit aufwändigen Methoden röstet, bekommt sie ihre schöne braune Farbe und ihren unvergleichlichen Duft, der dann beim Aufbrühen in den einzigartigen Kaffeegeschmack umgewandelt wird.
Wahrscheinlich liegt der beginn der Kaffeekultur schon im 9. Jahrhundert, aber um das Jahr 1440 lernten die Mönche im Kloster Kaffa von einem Hirten die Wirkung des Kaffees kennen, indem sie die Früchte abkochten und dann die stimulierende Wirkung erkannten, weil sie nach dem Kaffeegenuss bei ihren nächtlichen Gebeten wach blieben.
Von Äthiopien aus trat der Kaffee seinen Siegeszug in die ganze Welt an, zunächst zum Jemen, dann nach Mekka, wo ein Volksaufstand ausbrach, als der dortige Statthalter den Kaffeegenuss aus religiösen Gründen verbieten wollte. Der Augsburger Arzt Rauwolf lernte im Orient um das Jahr 1570 den Kaffee kennen und berichtete darüber, vom 17. bis 19. Jahrhundert wurde der Kaffee, nicht nur als Getränk, sondern auch als Pflanze in aller Welt berühmt. Nach Westeuropa ist er importiert worden durch die türkischen Soldaten.
Viele Menschen erleben täglich die Wirkung des Kaffees: den wunderbaren Geschmack, die Reduzierung von Müdigkeit, die Steigerung des Leistungsvermögens: Das alles macht den Kaffee zum Kulturgetränk ersten Ranges.
Natürlich soll auch nicht verschwiegen werden, dass der Kaffee nichts für Magen- und Gallen-Kranke ist und dass bei zu hohem Kaffeegenuss die Rauschwirkung des Coffeins zur Wirkung kommt.
Weil die Muslime („Muselmanen“) keinen Alkohol trinken dürfen, ist Kaffee tatsächlich das beliebteste Getränk unserer muslimischen Geschwister, und zwar in vielen Variationen. Die Gründung von Kaffeehäusern in Wien, Hamburg, Leipzig und in vielen anderen Städten führte geradezu zu einer politischen Bedeutung des Kaffees. Dass aber der Kaffee von christlichen Mönchen erstmals entdeckt und von Muslimen nach Westeuropa gebracht wurde, macht ihn geradezu zu einem „Getränk der Weltökumene“.
Ulrich Zurkuhlen (März 2003)