Das Fest der Feste.
Das Ehepaar Beckham, das schon vor einiger Zeit an dieser Stelle das Thema einer Glosse war, besteht aus dem Fußballspieler David und seiner Frau Victoria, einer ehemaligen Pop-Sängerin. Sie haben drei Knaben in die Welt gesetzt und sind nach Ansicht einer englischen Populär-Zeitschrift das ideale Ehepaar. Ob es allerdings in dieser Ehe Seitensprünge des Ehemannes gegeben hat, ist bisher nicht endgültig geklärt. Und angeblich orientieren sich viele Paare in England und anderswo an den Beckhams, weil sie ihnen das willkommene Vorbild für die Gestaltung eigener ehelicher oder sonstiger Partnerschaft sind. Diesem Vorbild nachzueifern ist allerdings nicht ganz leicht; denn die Beckham- Familie lebt auf großem Fuß, so groß, dass es wohl den wenigstens möglich ist, auch bei bestem Willen ihren Lebensstil zu imitieren.
Das gilt auch für diese Zeit weihnachtlicher Geschenk-Orgien, die so gar nichts mit dem armen Kind in der Krippe von Bethlehem zu tun haben. Jetzt wollen Sie wahrscheinlich wissen, was man sich bei Beckhams zu Weihnachten schenkt? Alle Geschenke sind nicht an die Öffentlichkeit gelangt, aber das Geschenk von Frau B. an Herrn B. ist bekannt: ein Rolls Royce Phantom, also ein Auto der absoluten Spitzenklasse. Vielleicht werden Sie jetzt sagen, eine solche Familie, die oft unterwegs ist, brauche doch ein Auto. Richtig, aber die Zahl der bisher schon in Beckham-Besitz befindlichen Autos dürfte das runde Dutzend übersteigen. Und ein Rolls ist kein normaler Gebrauchtwagen; er kostet immerhin 300 000 englische Pfund, das sind so etwa 450 000 €; kein schlechtes Geschenk also, und man fragt sich natürlich auch, wie denn das auf den Gabentisch unter dem Weihnachtsbaum passt.
Von einer ganz anderes Art ist das Weihnachtsfest, wie Herr Andy Park es täglich feiert; Sie haben richtig gelesen: TÄGLICH! Denn seit zwölf Jahren feiert Herr Park jeden Tag Weihnachten, und zwar so, dass er täglich das immer gleiche Weihnachtsmenü isst. Und so hat er seit 1993 bei seinen täglichen Weihnachtsmenüs – 365 mal im Jahr – insgesamt 4380 Truthähne, 26 280 Röstkartoffeln, 109 000 Stück Rosenkohl und 219 000 zerdrückte Erbsen, dazu 1500 Liter Bratensoße vertilgt. So dass man jetzt weiß, was so ein echter Engländer zu Weihnachten alles isst. Natürlich geht es nicht ohne Geschenke, sie werden bei Herrn Park nicht so originell gewesen sein wie bei Familie Beckham; aber der arme Herr Park hatte ja auch niemanden, den er täglich mit Weihnachtsgeschenken beglücken konnte. So hat er sich in den zwölf Jahren täglicher Weihnacht 21 900 Weihnachtspäckchen selbst geschenkt. Und weil Herr Park auf Tradition Wert legt, beginnt er sein tägliches Weihnachtsfest pünktlich um 15. 00 Uhr, indem er sich auf Video-Band die Weihnachtsansprache der Queen ansieht.
Als ich das in einer Zeitung las, dachte ich übrigens an die berühmte Geschichte „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ von Heinrich Böll, eine seiner schönsten Geschichten und nicht nur zur Weihnachtszeit lesenswert. Sie handelt von der armen Tante, die immer einen Schreikrampf kriegt, wenn der inzwischen nadelnde Tannebaum abgebaut werden soll, sodass die Familie sich entschloss, das ganze Jahr Weihnachten zu feiern, wobei sich nach geraumer Zeit die Familienmitglieder durch Schauspieler vertreten lassen. Echt ist nur der pensionierte Pfarrer, der allabendlich zum Fest kommt und sich mit der Tante angeregt unterhält, während die Schauspieler sich den leckeren Weihnachtspunsch schmecken lassen und anschließend das Honorar für ihren weihnachtlichen Auftritt, auch im Hochsommer, kassieren.
Da können wir als Kirchengemeinde nicht mithalten. Aber wir erinnern daran, dass Weihnachten öde ist, wenn nicht auch irgendwie die Kinder auf dem Weg zur Krippe sind. Und so haben wir auf unserer Krippe einen Hirtenjunger in der Tracht des Orients, der ein kleines Schaf auf dem Arm trägt. Wir haben unsere Krippe in diesem Jahr renovieren lassen, sie ist etwa ein halbes Jahrhundert alt; alle Figuren wurden neu eingekleidet und werden nun am Weihnachtsfest in neuer Schönheit strahlen. Und seien wir ehrlich: Eine schöne Krippe ist dem Sinn von Weihnachten doch viel näher als ein Rolls Royce oder ein tägliches Weihnachtsmenü. Die Krippe verweist auf das Wesentliche. Auch wenn man auf verschiedene Weise Weihnachten feiern kann: Die Krippe und der Hirtenjunge zeigen uns, wo es lang geht.
Ulrich Zurkuhlen (Dezember 2005)