Verdammt nochmal!
Vor vielen Jahren hat mir ein Studienkollege dieses Bild geschickt; er hat es wohl in Mainz gekauft, oder er hat das Foto selbst gemacht; das weiß ich nicht so genau. Später am Telefon sagte er mir, dieses Säulenkapitell befände sich in Mainz, sei aus dem 13. Jahrhundert und stelle die „Verdammten“ dar. Ich erinnere mich, dass ich ein ähnliches Motiv schon mal am Bamberger Dom gesehen habe.
Es ist schon interessant, dass dies Motiv offensichtlich nicht ungewöhnlich in der alten Kunst war; was interessierte es denn die Leute, wenn es „Verdammte“ gibt, also solche, die vom Heil abgeschnitten sind, und zwar endgültig und für immer. Vermutlich war das zunächst einmal ein psychologisch-katechetisches Motiv: Die Menschen, die das Bild sahen, sollten davon abgeschreckt werden, sich „die Hölle zu verdienen“ durch böse Taten. Niemand ist, so die mittelalterliche Kunst, vor diesem grausigen Lebensschicksal sicher, nicht einmal Könige und Mönche – und manchmal hat man auch Päpste und Bischöfe auf die linke Seite des Weltgerichts gemalt oder in Stein gehauen, also auf die Seite, in der nach Matth.25 die Verdammten stehen. Von Hölle ist allerdings auf unserem Bild keine Spur zu sehen, nur von einer Kette, die die unglücklichen umschließt, und jemand zurrt die Kette fest: ein Engel? Ein Teufel? Ein Folterknecht? Das bleibt ziemlich im Dunkel.
Eindrucksvoll sind die Gesichter dieser kleinen Gruppe. Sie reagieren entweder gelassen oder ziemlich traurig, aber guckt so jemand, der für ewig verdammt ist? Es ist allenfalls ein bisschen eng auf unserem Bild; die Gruppe hat nur wenig Platz. Wollte der Maler damit andeuten, dass es in der Hölle ziemlich eng ist? Es gibt ja die nette Anekdote über Papst Johannes Paul II.: Er sei nach seinem Tode in die jenseitige Welt aufgenommen und habe von oben einen Blick in die Hölle tun dürfen. Da sei es tatsächlich sehr eng gewesen, aber es habe ein ziemlich üppiges Essen gegeben, dessen sich die Höllenbewohner erfreuten. Dann sei er in den Himmel gekommen und habe sich auf himmlisches Essen gefreut. Aber er sei sehre enttäuscht worden, weil es nur Essen vom mobilen Dienst gegeben habe. Als der Papst den Herrn Jesus darauf angesprochen habe und sich ein wenig über die ziemlich öde Kost beschwert habe, habe Jesus gesagt: „Dafür musst du Verständnis haben. Es lohnt sich eben nicht, eigens für uns beide hier zu kochen!“
Ich habe den Eindruck, dass der Künstler unserer Gruppen-Plastik auch ein bisschen augenzwinkernd die Szene der „Verdammten“ gemalt hat. Denn ist es überhaupt vorstellbar, dass Gott irgendeinen Menschen, und sei er zu seinen Lebenszeiten noch so schlecht gewesen, für immer von sich abweist? Ist Gott nicht immer noch größer als auch die größte menschliche Schuld? Mit der Botschaft von einem unendlich menschenfreundlichen Gott sind die Höllenpredigten tatsächlich schlecht zu vereinbaren. So wird Gott nicht sein, der alle Menschen liebt, vielleicht sogar besonders die, mit denen er die meisten Probleme hat. So geht es manchmal auch bei Eltern und ihren Kindern.
Ich kann mich erinnern, dass in meiner Studentenzeit der geniale Professor Hermann Volk, der später Kardinal in Mainz war, in einer Vorlesung über Himmel-Hölle-Fegfeier sagte: „Ich glaube, dass es die Hölle gibt, aber ich glaube nicht, dass jemand drin ist!“ Das ist eine gute Nachricht.
Vielleicht hat der spätere Mainzer Kardinal an diesem Bild seine Freude gehabt.