Augustinus.
Er war einer der größten unter den großen Christen der Frühzeit, und die Erinnerung an ihn ist immer noch sehr lebendig. Augustinus starb nach einem ungewöhnlich bewegten Leben im Jahre 430 n.Chr.; sein Grab befindet sich in Pavia in Italien. Dorthin haben wir vor einigen Jahren eine Wallfahrt gemacht, und an seinem Sarkophag haben wir die Eucharistie gefeiert.
Das wohl schönste Bild von ihm aber ist wohl im Stephansdom in Wien zu sehen; auf der Außenseite der Kanzel, von wo aus die Christen im Glauben belehrt werden, ist eine Skulptur dieses großen Kirchenlehrers. Es ist eine sehr humorvolle Darstellung. Da ist ein Bischof, zu erkennen an der Mitra, auf der die Anfangsbuchstaben des Namens IESUS stehen; denn Augustinbus war Bischof von Hippo in Nordafrika. Man sieht einen Forscher und Denker, aber einen, dem das Leben nicht fremd ist. Was er da in der linken Hand hat, kann ich nicht erkennen.
Sein Leben war ungewöhnlich bewegt, und seine Bekehrung ist der des hl. Paulus nicht unähnlich. Augustinus war immer ein Gelehrter, aber er liebte auch die weltlichen Vergnügungen; aus einer flüchtigen Liebschaft entstammte sein Sohn Adeodatus, was übersetzt „von Gott Geschenkter“ heißt. Der Vater hat ihn nicht etwas verleugnet, sondern er schreibt in seiner Autobiographie, die in der Form eines langen Gebetes geschrieben ist, dass er sich seines Sohnes angenommen habe. Auch von seiner Mutter Monika schreibt er, und sie ist wohl maßgeblich an seiner Bekehrung beteiligt gewesen, sowohl durch Gebet als auch durch vermutlich strenge und nachhaltige Ermahnungen. Anders als bei Paulus ist der Bekehrungsweg nicht der Impuls einer Vision, sondern das offenbar faszinierende Vorbild und die Predigten des Mailänder Bischofs Ambrosius. Das ist eine wunderbare Geschichte, weil solche Lebenswendungen offensichtlich durch das Beispiel bedeutender Menschen herbeigeführt werden können. Gott wirkt meistens durch Menschen.
Faszinierend ist sein Buch „Confessiones“, also „Bekenntnisse“, in denen er sein Leben beschreibt und deutet; aber es ist nicht eine Lebensgeschichte, sondern ein Einblick in seine Theologie und seine ganze Denkweise. Es ist bemerkenswert, dass mit dem 2. Vatikanischen Konzil viele Gedanken des Augustinus wiederentdeckt wurden. Auch in den theologischen Botschaften des Papstes kommt Augustinus oft vor. Augustinus fasst seine Bekehrung in einem schönen Wort zusammen: „Dem Herrn gefiel es, mir zu sagen: Steh auf!“
Vieles in seinem Denken hat höchst aktuelle Bezüge. Fremd dagegen ist seine „Prädestinationslehre“; das bedeutet: Gott hat von Anfang an bestimmt, welche Menschen zum Heil kommen. Er will damit wohl sagen, dass der Mensch nicht aus eigener Kraft die Vollendung seiner Existenz erreichen kann, sondern dass Gott selbst den Weg zeigen muss. Aber kann es wirklich sein, dass Gott die einen erwählt und die anderen verwirft? Das ist nicht unser Gottesbild, wenigstens nicht das Bild, das wir heute vom menschenfreundlichen Gott haben. Da gefällt mir vielmehr das Wort des heiligen Paulus: Gott will, dass alle Menschen gerettet werden. Die Augustinus-Richtung ist wohl eher eine pädagogische Mahnung an alle Menschen, ihr Heil nicht aufs Spiel zu setzen. Dann wäre ja alles menschliche Bemühen um ein gutes, zielgerichtetes Leben vergeblich. Dann wäre Gott wie ein Tyrann, der willkürlich belohnt und bestraft. Das kann nicht sein.
Jedenfalls dürfen wir hoffen, dass Gott niemanden verloren gehen lässt. Gott ist größer als alle menschliche Schuld. Da ist dem Augustinus wohl zu widersprechen.
Das Fest des Augustinus ist jedes Jahr am 28. August.