Mariä Verkündigung.
Am 25. März feiert die Kirche das Fest Mariä Verkündigung. Es ist ein uraltes Fest; es wird dabei der Menschwerdung Jesu Christi gedacht und verständlicherweise auch gefeiert. Viele Kirchen tragen den Namen des Festes als Patrozinium, und das Motiv ist hunderte Male gemalt, aus Stein gehauen, gezeichnet worden. Der Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest wird daran deutlich, dass das Fest genau neun Monate vor dem Geburtsfest Jesu liegt.
Die christliche Tradition hat es zum Glaubensinhalt gemacht, dass Maria das Kind nicht durch Zeugung eines Mannes bekommen hat, sondern durch unmittelbare Einwirkung des Heiligen Geistes, so steht es ja auch im Lukas-Evangelium. Freilich soll damit weniger eine biologische Tatsache thematisiert werden – das auch -, sondern vor allem eine theologische, nämlich: Mit der Verkündigung an Maria schlägt Gott ein völlig neues Kapitel der Liebesgeschichte Gottes mit den Menschen auf, ein völlig neuer Anfang also.
Das haben die Künstler sehr verschieden dargestellt. An der Marienkapelle in Würzburg ist im Nordportal eine Steinmetz-Arbeit zu sehen, in der ein kleines Kind wie auf einer Rutschbahn vom Mund Gottes in das Ohr Marias rutscht. Da hat der unbekannte Künstler sicher selbst ein wenig geschmunzelt. Aber er wollte damit wohl den wichtigen Gedanken aus dem ersten Kapitel des Johannes-Evangeliums darstellen, dass „das Wort Fleisch geworden“ ist. Das hat mit der Logos-Theologie des Johannes zu tun, die damals keineswegs ungewöhnlich war. Wie soll man sonst auch einen so komplizierten theologischen Gedankengang ins Bild setzen?
Unser Monatsbild stammt aus dem Münster Unserer lieben Frau in Ingolstadt, einem prächtigen, riesengroßen Bauwerk aus der Gotik. In einer Seitenkapelle war bis vor kurzem ständig die Barock-Krippe zur Besichtigung ausgestellt; als ich vor einigen Wochen dort war, war sie nicht zu sehen. Möglicherweise wird sie jetzt wie die meisten anderen Krippen nur in der Weihnachtszeit gezeigt. Die Krippe ist hochbarock. Der Künstler hat Maria so dargestellt, wie man Maria oft sieht, als „Magd des Herrn“. Freilich, ihre Kleidung ist gar nicht magd-mäßig, sondern eher herrschaftlich; das hat die Barockzeit gern gemacht.
Aber der Verkündigungsengel! Haben Sie sich einen Engel so vorgestellt? Er hat keine Flügel. Und er ist in goldener Kleidung, fast wie ein Prinz, gekleidet. Das Gold war früher die Farbe des Himmels. Wenn man den Himmel als Firmament darstellen wollte, malte man ihn in blauer Farbe; wenn man den Himmel aber als Herrschaftsbereich Gottes darstellen wollte, malte man ihn golden; deswegen ist im Mittelalter der Hintergrund religiöser Bilder meistens aus Gold. So ist also auch der Engel als Bote Gottes aus Gold. Er trägt ein mit Spitzen besetztes Goldkleid und darüber einen ebenfalls goldenen Mantel. Auch das Beinkleid scheint aus purem Gold zu sein. Nur die sehr graziös abgewinkelten Arme haben weißen Spitzenbesatz, aber auch wieder mit Gold dazwischen. Und erst das hübsche Gesicht: Dieser Engel scheint eine Frau zu sein, so ist jedenfalls der Eindruck. Auch die Frisur mag diese Vermutung bestätigen, aber es ist nicht sicher. Manchmal kann man auf mittelalterlichen Darstellungen nicht entscheiden, ob ein Engel ein Mann oder eine Frau ist. Das ist auch gut so: Denn was ist der Engel denn, Mann oder Frau? Er ist doch weder noch, sondern ein Geist.
Dass der Verkündigungsengel in Ingolstadt nicht ganz von dieser Welt ist, hat der Künstler schön ausgedrückt. Solche Engel würde man auch mal gern treffen.