Nikolaus.
Wir waren im Elsass. Wir, das waren 62 Pilger, die berühmte geistliche Orte im Elsass besucht haben. In Colmar waren wir beeindruckt von der St.Martins-Kirche. Über dem Südportal der großen, schönen Kirche ist ein Tympanon, auf dem die Erinnerung an den heiligen Nikolaus lebendig gehalten wird.
Nikolaus ist zweifellos einer der populärsten Heiligen Europas. Vieles ist von ihm in der Form von Legenden überliefert, auf die sich auch die Szenen des Colmarer Portals beziehen.
Aber was kann man zunächst historisch von ihm sagen? Ich habe gelesen, dass die Heiligengestalt auf zwei historische Persönlichkeiten zurückgeht: Nikolaus, der im kleinasiatischen Myra – in der heutigen Türkei – in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts lebte; sein Grab ist heute, nachdem sein Leichnam gestohlen war, in Bari in Süditalien. Der andere ist Abt Nikolaus von Sion, unweit vonMyra, der als Bischof von Pinora im Jahre 564 gestorben ist; sein Todestag ist der 6. Dezember, deshalb ist das Fest des „doppelten“ Nikolaus auch an diesem Tag. Über die Lebensgeschichte beider Personen ist wenig bekannt.
Es wird erzählt, Nikolaus habe als Retter aus Seenot gewirkt: deshalb wird er von Matrosen-Bruderschaften als Patron geehrt, aber er ist auch der Namensgeber für viele Kapellen, die am Wasser liegen. Mit dem Wasser hat auch die Legende zu tun, dass Nikolaus, um die Hungersnot der Menschen zu beheben, einen Schiffseigner gebeten habe, von dem Korn, das mit diesem Schiff transportiert wurde, einiges für die Armen abzuschöpfen. Der Kapitän habe sich zunächst wenig entgegenkommend gezeigt, aber als Nikolaus ihm versprach, dass das Korn nicht weniger wird, habe der Kapitän zugestimmt und zur Kontrolle einen Kreidestrich an das Schiff gemacht, Nikolaus habe also viel Korn vom Schiff abgeladen, aber tatsächlich habe sich der Tiefgang des Schiffes in keiner Weise verändert. Möglicherweise geht das Brauchtum der verschiedenen Leckerein zum Nikolaustag – z.B. „Stutenkerle“ – auf diese Legende zurück.
Das Bild in Colmar weist auf zwei andere Legenden zurück. Nikolaus habe drei jungen Mädchen, die von ihrem Vater zur Prostitution bestimmt waren, damit er damit Geld verdienen könne, „losgekauft“ mit drei goldenen Kugeln; das ist die Darstellung links vom Nikolaus.
Rechts sind drei Jungen abgebildet. Die Legende erzählt, dass Nikolaus drei ermordete und in einem Bottich eingepökelte Jungen zum Leben erweckt habe.
Aber vielleicht sind die Legenden nichts anderes als Illustrationen biblischer Erzählungen, z.B. dass Jesus die Hungernden gespeist habe und dass er Tote erweckt habe; Beispiele solcher biblischen Illustration finden wir ja öfter in Heiligenlegenden, man denke an die Geschichte des Hl. Martin, der den Jesusauftrag, „Nackte zu bekleiden“, verwirklicht hat; so auch Nikolaus, der ernst machte mit dem Auftrag Jesu, Hungernde zu speisen.
Leider wird der Nikolaus-Brauch manchmal übel entstellt, indem Pseudo-Nikoläuse die Kinder erschrecken oder dass der Heilige durch die alberne Coca-Cola-Werbung mit dem Weihnachtsmann verunglimpft wird.
Das hat der heilige Nikolaus, der Freund der Kinder, jedenfalls nicht verdient.