The Sun.
Das war ein schönes Wortspiel: Die große englische Tageszeitung THE SUN
(= die Sonne) hatte sich für einen Tag unbenannt: THE SON = der Sohn. Gemeint war der „Kleine Prinz“, auf dessen Geburt ganz England gewartet hatte. Jetzt ist er also da, und es scheint, dass der kleine George Alexander Louis tatsächlich so etwas wie der Sonnenschein des ganzen Landes ist. Auf dem ersten Foto mit seinen Eltern schien der Kleine zu winken, als ob er schon für später übt. Etwa drei Viertel der Engländer sind treue Anhänger der Monarchie, die nach einer vorüber gehenden Krisenzeit nun wieder gut zu funktionieren scheint, und es könnte sein, dass, wenn nicht alles anders verläuft, der Prinz einmal als König das Land in das 22. Jahrhundert führen wird.
Wir, d.h. eine Gruppe von 30 Leuten, haben kürzlich ein bisschen von der Vorfreude der Engländer mitbekommen. Und wir haben erlebt, wie richtig es ist, wenn „The Sun“ zum Markenartikel des Landes wird: neun Tage waren wir unterwegs, neun Tage haben wir Sonnenschein gehabt, neun Tage lang haben wir uns gefragt, wer eigentlich das völlig blödsinnige Gerücht aufgebracht hat, in England regnete es immer. Die ersten Regentropfen haben wir auf der Rückfahrt 30 km vor Münster gehabt. The Sun, also die Sonne, hat uns treu begleitet.
Wir waren auch in Coventry. (Siehe das Bild der Kathedrale). Coventry hatte einmal eine wunderbare gotische Kathedrale, die in der Nacht zum 14. November 1940 von deutschen Bombern völlig zerstört worden war. Das war der Tiefpunkt des Krieges zwischen Deutschland und England, ziemlich in der ersten Phase des Zweiten Weltkrieges, als die Engländer unter den Angriffen der Deutschen zu leiden hatten.
Nach dem Krieg haben die Engländer etwas Kluges gemacht. Sie haben die Kathedrale nicht, wie andernorts üblich, wieder rekonstruiert, sondern haben die Ruine gesichert und erhalten, und so kann man sie heute sehen, und es läuft einem Deutschen ein bisschen kalt den Rücken herunter. Völker haben ihre Kostbarkeiten zerstört in einem sinnlosen Krieg.
Direkt angrenzend an die Ruine haben die Engländer eine neue Kathedale gebaut. Sie ist ein Schmuckstück. Wenn man von der Ruine der alten Kathedrale in die neue kommt, ist es zuerst dunkel. Man sieht kaum Fenster, sondern nur einen Kirchenbau mit einem gezackten Grundriss. Wenn man dann nach vorn geht, sich umdreht und zurückschaut, sieht man eine Fülle von wunderbaren, farbenfrohen Fenstern. Der geniale Architekt hat also die Kathedrale so eingerichtet, dass die Fenster, die vom Boden bis zum Dach reichen, nur von vorn zu sehen sind.
Das ist eine tiefe Symbolik: Im Rückblick ist das farbige Licht zu sehen. Und man denkt daran, wie sich die Freundschaft zwischen den beiden Ländern entwickelt hat, nicht zuletzt durch einen lebhaften Jugendaustausch zwischen deutschen und englischen Jugendlichen. Die dunklen Zeiten der Rache und Vergeltung sind vorbei, heute kommen wir als Freunde in das Land.
Wir freuen uns über die englische Sonne und über den kleinen Sohn und können gut verstehen, welch wunderbares Land wir besuchen durften.