Segnendes Jesuskind.
Allen Freunden und Bekannten und allen, die den Text lesen, wünsche ich ein gutes, friedvolles Weihnachtsfest. Als ich vor einer Woche in meiner Sammlung von Bild-Karten nach einem schönen Weihnachtsmotiv suchte, fand ich die Karte mit dem segnenden Jesuskind. Das Kind ist wirklich niedlich: freundlicher Blick, lockige Haare, „Grübchen“ im Gesicht, ein rundrum zufriedenes Kind. Mit der rechten Hand segnet es in dem bekannten Segensgestus. Aber wen oder was segnet es eigentlich: den Betrachter des Bildes, oder – das könnte der Blick zeigen – alles und jeden, der zu ihm aufschaut, oder die ganzen Welt, dessen kugelförmige Gestalt es in der Hand hält: eine gesegnete Welt. Aber es ist nicht zu übersehen: die Welt wird von einem Kreuz gekrönt. Seltsam, wie sich hier Weihnachten und Karfreitag treffen. Und so ist es ja: Gerade weil die Welt immer wieder vom Kreuz überschattet ist, braucht sie umso dringender den Segen des Mensch gewordenen Gotteskindes.
Ich war noch aus einem anderen Grund fasziniert: Auf der Rückseite meiner Karte steht das Datum „2. April 1948“ und der handgeschrieben Glückwunsch zu meiner Erstkommunion zwei Tage später. Meine Großtante und ihre Familie haben mir damals diese Karte geschickt; ob sie ahnten, dass ich dieses Bild mit dem Jesuskind Jahrzehnte lang aufbewahren würde?
Und schließlich: Gedruckt steht auf der Rückseite „Segnendes Jesuskind – Ausschnitt Madonna, Raesfeld“. Ich habe mich also auf den Weg nach Raesfeld gemacht, um die Madonna zu sehen. Aber in Raesfeld ist sie schon lange nicht mehr; in der barbarischen Nazi-Zeit wurde sie zunächst in eine Abstellkammer gestellt und dann irgendwie nach Münster gebracht; dort hat sie im Priesterseminar ihren Platz gehabt. Und jetzt bekommt die Geschichte noch eine ganz andere Drehung: In Stadtlohn gab es früher ein Wallfahrtsbild, das von vielen Menschen aus dem westlichen Münsterland und aus Holland eifrig besucht wurde, und zwar auf dem Hilgenberg, der heute im Stadtgebiet von Stadtlohn liegt. Aber dieses Wallfahrtsbild wurde 1886 gestohlen und nie wieder gefunden.
Aber Bischof Michael Keller ließ 1954 die „Raesfelder Madonna“ zur Wallfahrtskapelle auf dem Hilgenberg bringen, und dort steht sie heute, und zwar mit dem segnenden Jesuskind, dass auf der farbigen Statue goldene Locken hat, und auch die Weltkugel ist golden. Und noch etwas ist bemerkenswert: Die Madonna trägt ein Kreuz, und dieses Kreuz ist noch von dem alten Wallfahrtsbild, ausgerechnet ein Kreuz. Das Kreuz überlebte die Generationen, und weil auch die Weltkugel ein Kreuz trägt, ist der Zusammenhang unübersehbar.
Das Marienbild mit dem Kind ist wohl aus dem 15. Jahrhundert und aus Holz geschnitzt, und weil die Hilgenberger Kapelle auch heute von vielen Menschen besucht wird, ist sie am Tage fast immer geöffnet. Viele Kerzen brannten dort, als ich vorgestern da war.
Und noch etwas: Ich bin Herrn Friedrich in Raesfeld zu großem Dank verpflichtet: Er hat mir die Geschichte von der Raesfelder Madonna erzählt und noch einmal schriftlich gegeben. Er hat mich auf die Spur der Madonna gebracht: Raesfeld – Münster – Stadtlohn: DANKE!