Wiedertäufer.
Kürzlich war ich in Münster im Stadtmuseum, und da ich von einer Bekannten dies Bild bekommen hatte, war ich sehr gespannt. Da hängen also in einem Raum zur Stadtgeschichte drei Wiedertäufer-Käfige; ein Künstler hat diese Käfige abgelichtet und sie mit Blumen gefüllt. Die Geschichte der Wiedertäufer ist nicht sehr bunt und festlich; sie hatten versucht, in Münster eine neue Ordnung zu schaffen, und gerieten dabei in Konflikt mit dem Bischof. Es würde hier zu weit führen, die ganze Geschichte an dieser Stelle zu rekonstruieren, aber einige Aspekte seien genannt. Zunächst wird die Geschichte der Leute, die unter den drei Anführern Jan van Leyden, Knipperdolling und Krechting standen , meistens nur negativ gesehen; das ist die Sichtweise der „Konservativen“ damals, die sich von den strengen Lebensnormen der Wiedertäufer nicht beeindrucken ließen. Die Wiedertäufer selbst und ihre große Gefolgschaft waren eine Art von „Fundamentalisten“ oder auch „Sektierern“. Wie der Name sagt, war ihr Programm zunächst ein religiöses: Sie wollten, dass sich die erwachsenen Christen erneut taufen ließen, weil sie die Kindertaufe ablehnten. Ich meine, dass diese Sicht nicht sehr weit von dem Firmsakrament entfernt ist, in dem erwachsene oder annähernd erwachsene Christen ihre Taufe persönlich einholen, indem sie jetzt freiwillig und öffentlich ihren Glauben bekennen, den in der Taufe ihre Eltern bekannt hatten.
Freilich: Wie so oft, artete das Wiedertäufer-Wesen in Gewalt aus. Und: Man glaubte, diese Gruppe seien die Vorläufer des Weltendes, also des Letzten Gerichtes Gottes über die Menschheit. Heute würde man sagen: Sie waren nicht ganz weit vom Christendasein entfernt. Freilich, der Bischof Franz von Waldeck war mehr Landesherr als spiritueller Führer; das machte die Sache also außerordentlich schwierig. Ich selbst meine, dass man die Intention der Wiedertäufer weitgehend verkennt und ihnen wenigstens teilweise Unrecht tut. Oder sagen wir es anders: Der Bischof damals ist vielen weniger sympathisch gewesen als die Widertäufer.
Am 22. Januar 1536 wurden sie in aller Öffentlichkeit vor dem Rathaus gefoltert, gequält und getötet, vor einer riesigen Schar von Zuschauern – schrecklich! Ein Messdiener hat mir einmal auf Anfrage gesagt, er wäre da aus Sensationslust auch hingegangen, wenn er damals gelebt hätte, aber so, dass er nicht erkannt worden wäre. So haben auch damals wohl viele gedacht.
Die Leichen der Drei wurden in Käfige getan und an der Lambertikirche aufgehängt; dort sind sie nach und nach verwest, ein schreckliches, durch und durch unchristliches Schicksal. Die Käfige hängen heute noch und sind eine Attraktion für Touristen, die wahrscheinlich nicht wissen, welches menschliche Drama sich dahinter verbirgt.
Vor etwa einem Jahr kam ich an der Lambertikirche vorbei, als dort eine Lehrerin mit ihrer Schulklasse vorüber ging. Eines der Kinder fragte: Was sind das für Käfige? Und die Lehrerin antwortete nach kurzem Überlegen: Ich glaube, das hat etwas mit den Heiligen drei Königen zu tun!! Wusste sie es nicht besser, oder wollte sie das Grauen von den Schülern fern halten?
Die Käfige im Stadtmuseum hingen früher am alten Zoo und sind Nachbildungen aus dem Jahr 1888. Ich finde es gut, dass auf diesem Bild die Käfige mit Blumen geschmückt sind; so pflegt man Tote zu ehren.