Verkündigungsengel.
Krippen, wohin man blickt: schöne und hässliche, kitschige, überladene…
Und was mich an vielen Krippen ärgert: Maria ist kostbar bekleidet, und Joseph ist es auch; und die drei Könige erst recht. Nur das Kind ist splitternackt! Hat denn niemand daran gedacht, dem Baby im Futtertrog eine einigermaßen wärmende Kleidung zu geben? Sind die Gestalten der Krippe wirklich so nachlässige, verantwortungslose Leute, dass sie zwar auf ihre eigene perfekte Kleidung achten, aber das Baby offenbar völlig übersehen. Erstaunlich, dass das Baby sich keine heftige Grippe zugezogen hat; jedenfalls steht davon nichts in der Bibel!
Unter den Krippen, die mir besonders gefallen, ragt die Krippe in der Herz-Jesu-Kirche in Bocholt besonders hervor. Die Krippe ist vor einigen Jahren von Frau van de Sand, Frau Gellrich und Herrn Furtmann hergestellt: Die Figuren sind lebensgroß, sie haben sehr ausdrucksstarke Gesichte, und wenn man diese Gestalten sieht, kann man sich gut in die Bethlehem-Szene vor 2000 Jahren hineindenken.
Besonders gefällt mir der Verkündigungsengel, den Sie auf dem Bild sehen. „Ein Engel?“ werden Sie fragen. Und genau das ist das Tolle daran; der Engel ist hier nicht eine etwas blasse blonde Frau mit Federn auf dem Rücken, sondern ein Mann, ein jüdischer Mann, und der hat etwas zu sagen, vielleicht das Wichtigste, was man Weihnachten überhaupt sagen kann: „Euch ist der Retter geboren!“ Es ist der Prophet Jesaja, der diese wunderbare Botschaft in die Welt spricht. Mögen auch Jahrhunderte zwischen seiner Vision und der Erfüllung der Vision liegen: Er ist der absolute Verkündiger, ohne ihn wüsste wahrscheinlich niemand, dass das Baby in der Krippe der Messias ist. Man muss vielleicht die herrlichen Visionen des Jesaja lesen, besonders das Kapitel 9, und dort besonders den Vers 5. Ich finde, dass es eine der stärksten theologischen Darstellungen ist, dass auf der Bocholter Krippe in der Gestalt des Propheten alttestamentliche Vision und neutestamentliche Erfüllung zusammenfallen. Auch die Friedensvision im 11.Kapitel des Jesaja-Buches ist herrlich, eine der schönsten Texte der Bibel überhaupt.
Schade eigentlich, dass Jesaja auf unseren Weihnachtsdarstellungen so selten vorkommt. Schade auch, dass überhaupt der eigentliche Sinn von Weihnachten in unserer heidnischen Welt kaum vorkommt. Ich wohne in Münster in der wichtigsten Geschäftsstraße; die Leute drängen sich auf der Straße und boxen sich den Weg frei zum nächsten Geschäft. Was da an Plunder und Kommerz den Leuten aufgedrängt wird, ist schon ein Skandal. Deshalb hat ein Freund von mir vorgeschlagen, man solle Weihnachten den Heiden überlassen; das Datum stammt ja auch aus dem römischen Heidentum, – das Fest der Geburt des römischen Sonnengottes -, und das scheint sich inzwischen sehr ausgebreitet zu haben.
Und die Christen? Sie könnten ja alle zusammen das eigentliche, ursprüngliche Geburtsfest Jesu am 6. Januar feiern, zusammen mit unseren ostkirchlichen Geschwistern. Also der 25. Dezember, der der Geburtstag des heidnischen Sonnengottes ist, wieder verheidnischen, und den 6. Januar mit allen Christen feiern, unbedrängt von heidnischem kommerziellen Plunder
Eine tolle Idee? Wir sollten jedenfalls den 6. Januar nicht unter den Tisch fallen lassen, sondern festlicher und emotionaler feiern als den 25. Dezember. Wer macht mit?
Ulrich Zurkuhlen