Liebe und Hass
Vor einiger Zeit habe ich gelesen, dass das Wort „Liebe“ eines der häufigsten Worte sei, die Menschen im Gespräch austauschen. Das ist verständlich; denn ist nicht Liebe eines der stärksten Wünsche des Menschen? Der Mensch möchte geliebt werden. Der Mensch möchte nicht unbeachtet bleiben. Der Mensch möchte nicht einfach ein winziges Detail unserer Gesellschaft bleiben.
Ich habe in diesem Zusammenhang schon mehrmals auf ein Zitat des Münsteraner Professors Josef Pieper in seinem wunderbaren Buch „Über die Liebe“ hingewiesen. Da schreibt er darüber, was es denn eigentlich bedeute, zu einem Menschen zusagen: „Ich liebe dich!“ Pieper definiert es so: „Es bedeutet: „Wie glücklich bin ich, dass es dich gibt! Wie froh bin ich, dass es dich gibt! Wie dankbar bin ich Gott, dass es dich gibt!“ Pieper meint, das Bekenntnis der Liebe sei eine Zustimmung zum Dasein des anderen, aber auch zu seinem Sosein: „Wie gut ist es, dass du so bist, wie du bist!“ Das ist natürlich noch ein Schritt weiter. Ich bin glücklich, dass der/die andere so ist, wie er/sie ist und nicht anders. Man möchte den anderen nicht erziehen nach eigener Vorstellung, ihm/ihr nicht den Mantel eigener Vorstellungen überwerfen. „Nein, wenn ich einen Menschen erschaffen könnte, würde ich ihn so erschaffen, wie du bist!“ Auch ein Zitat!
Aber jetzt stoßen wir an ein großes Problem, nämlich an das Gegenteil. Kürzlich sagte in einem sehr intensiven Gespräch eine Frau, manchmal wünsche sie sich, dass ein anderer Mensch gar nicht existiere: Der Flegel, der ihr im Geschäft die Tür vor der Nase zuknallte. Der Autofahrer, der die Frau fast überfahren hätte; diese Leute, die bis spät in die Nacht in ihrer Nachbarschaft entsetzlich laute Musik machten; die Frau, die im Fernsehen darüber klagte, ein Mann habe sie schamlos angesehen, selbst aber ein Kleid trug mit einem Ausschnitt fast bis zum Bauchnabel…. Alle diesen Leuten wünsche sie, dass es sie nicht gäbe. Das ist hart! Und dann fragte sie mich, ob das, was sie empfinde, nach Piepers Liebes-Definition eben das Gegenteil sei, nämlich Hass: „Wie schade, dass es dich gibt; wie schön wäre die Welt ohne dich!“
Wenn Hass das Gegenteil von Liebe ist, dann kann es sein, dass es unter den Menschen viel Hass gibt. Wenn ich mir das überlege, habe ich Angst.
Ulrich Zurkuhlen