Zerstörte Kirche
Nein, wir reden jetzt nicht vom 2. Weltkrieg, wo neben vielen Häusern auch Kirchen zerstört wurden, auch in Münster. Auch wenn ich damals noch sehr klein war, erinnere ich mich sehr wohl an Kirchenruinen, und diese Erinnerung hat sich mir sehr tief eingeprägt. Wer hätte damals geahnt, dass es einmal in „Friedenszeiten“ zerstörte Kirchen geben würde, diesmal allerdings nicht verursacht von alliierten Kampfbombern, sondern von neunmal klugen Leuten, die etliche Kirchen für überflüssig und deswegen zerstörenswert hielten. Sicher, nicht alle Kirchen, die „man“ für überflüssig hielt, wurden vernichtet; einige wurden umgewandelt zu Urnengräbern, auch zu Restaurants, Kletterorten, Sporthallen, Bibliotheken usw. In England habe ich mehrmals gesehen, wie Kirchen profaniert und zu Gaststätten besonders für Arme umgewandelt waren, aber immer war in einer Seitennische noch eine Gebetskapelle.
Das Schicksal völliger Zerstörung erleidet z.Zt. die Herz-Jesu-Kirche in Bocholt, wie ich von Freunden aus Bocholt hörte. Ich war in der Herz-Jesu-Kirche von 1978 bis 1985 Pfarrer, es war meine glücklichste Priesterzeit mit einer Gemeinde von wunderbaren Menschen. Die Begründung der Profanierung von Kirchen ist ja meistens, sie werde nicht mehr gebraucht, weil die Zahl der Kirchenbesucher abgenommen habe. Welch ein Schwachsinn! Offenbar meinen einige „Experten“, Kirchen seien nur für die Sonntagsgottesdienste gebaut, und da sei die Zahl viel kleiner geworden. Ich meine im Gegenteil, dass Kirchen vor allem auch Orte der Besinnung im Laufe des Tages, für Schul- und Kindergottesdienste, für Taufen, Hochzeiten, Trauergottesdienste seien, übrigens auch als sichtbarer Leuchtturm für ein lebendige Welt- und Kirchengemeinde. Ich fand es immer sehr gut, dass die Herz-Jesu-Kirche in der Nähe des Schulzentrums stand.
Die Herz-Jesu Kirche/Gemeinde war ein Ort überaus engagierten Glaubenslebens, auch wegen der Nähe zur Grundschule, des Kindergartens, des Pfarrheims, wo eine Unmenge von Treffen der Kinder, Jugendlichen, Senioren usw. stattgefunden haben. Ich denke an die weit über 100 jugendlichen Messdiener, den Kirchenchor, den Jugendchor, die Ferienläger, auch an das grandiose Spiel von „Joseph in Ägypten“ als einer Gemeinschaftsaktion von Gemeinde und Edith-Stein-Schule, wo ausnahmslos jede(r) Schüler(in) eine Rolle spielte und der Jugendchor die Lieder von Peter Janssens sang – und die Messdiener den Vater Jakob, den Joseph und seine Brüder spielten. Ich denke auch an das Dekanatsmessdiener-Treffen, an die Frühschichten der Jugendlichen in der ehemaligen Taufkapelle, an die nächtlichen Schweige-Prozessionen der Jugendlichen zum jüdischen Friedhof, an die Friedenswoche, die mit einem Gottesdienst auf dem russischen Kriegsgräber-Friedhof mit einer wunderbaren Predigt des kürzlich verstorbenen Bürgermeisters Demming endete; an die Uganda-Aktion der Frauen, deren Höhepunkt der Besuch von Kardinal Nsubuga aus Uganda war. Und ich denke auch an die zahllosen spirituellen Wochenenden im Kloster Lievelde in Holland: Familien, Messdiener, Jugendliche, Pfarrgemeinderat; auch dieses Kloster des Maristenordens besteht nicht mehr.
… alles Vergangenheit!! Die herrliche Kirche, die 1960 von Prof. Bartmann entworfen war, besteht nicht mehr, weil Menschen es so wollten; aber wer war das?