Meine Mini-Kirche
Vor einigen Tagen habe ich in kleinem Kreis das 75jährige Jubiläum meiner Erstkommunion gefeiert; die Erstkommunion war am 4. April 1948. Eine entsprechende Urkunde hängt seitdem im Flur meiner Wohnung. Es war nicht nur die erste heilige Kommunion, sondern ich durfte abends sogar zum ersten mal einen winzigen Schluck Sekt trinken. Das hat mir nicht geschadet, aber ich denke deshalb auch daran, weil mein Großvater gegen Ende des Krieges ein paar Flaschen Sekt im Garten unseres Nachbarn vergraben hatte, eigens für dieses Fest. Mein Großvater hatte an der Stelle, wo der Sekt vergraben war, ein kleines Band an die Hecke gehängt, aber das war im Laufe der Jahre „vom Winde verweht“, sodass Opa einen erheblichen Teil des Gartens umgraben musste, um die verborgenen Flaschen wiederzufinden; das ist ihm geglückt, und der Nachbar meinte, sein Garten sei noch nie so gut umgegraben wie diesmal.
Aber was noch viel schöner ist: Mein Großvater und mein Onkel hatten für mich ein wunderbares Geschenk selbst gebastelt: eine Mini-Kirche aus Holz, jedenfalls die Innenausstattung. Das Gebäude hat 50 Jahre später Norbert Bußmann aus der Dyckburg-Gemeinde errichtet. Wer mich kennt, weiß, dass ich von Miniatur-Bauten sehr begeistert bin. In meinem Wohnzimmer stehen u.a. zwei wunderschöne Puppenhäuser mit insgesamt etwa fünfzehn Räumen; Küche, Bad, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Dachboden, Apotheke, Lebensmittelladen, Autoreparatur-Werkstatt,Schreinerei, Kneipe, Klassenzimmer, Büro, Bücherei…und ein kleiner jüdischer Gebetsraum. Beide Häuser strahlen geradezu Sympathie aus, und einiges, das wir schon in unseren Kindertagen in einem Puppenhaus hatten und über den Krieg gerettet haben, ist uralt, z.b. sieben kleine Porzellanpuppen aus dem Ende der 1870er Jahre.
Und dann die Mini-Kirche. Sie hat ein abnehmbares Dach und einen Turm, in dem oben eine Glocke hängt und unten die Sakristei. Dann ist da auch ein Andenken-Shop und eine sehr schöne Taufkapelle, eine Kanzel, einen Beichtstuhl und zahlreiche Bänke mit viel Publikum. Wenn sich jemand wundert, dass der Priester mit dem Rücken zum Altar steht, denken Sie daran, dass 1948 noch weit vor der Liturgie war. Es geht also nicht um eine mögliche Begeisterung für die alte Messe, sondern für eine korrekte zeitgeschichtliche Einordnung der Mini-Kirche. Vor der Mini-Kirche stehen zwei winzige Schweizer Gardisten, die ich 1956 aus Rom mitgebracht habe, und in der Kirche sitzen ein anglikanischer Priester, ein rot gekleideter Kardinal und ein orthodoxer Mönch, daneben auch ein muslimischer Geistlicher. Ökumene!