Das Kreuz: So oder anders?
Dieses Holzkreuz auf dem Bild hängt seit mehr als fünfzig Jahren in meiner Wohnung. Der „Corpus“, also der Körper des gekreuzigten Jesus, ist von einem Bildhauer in Freckenhorst damals handgeschnitzt; als Vorlage diente ihm das „Bockhorster Kreuz“, das früher in der Kirche im Dorf Bockhorst, in der Nähe von Bad Rothenfelde und jetzt im Landesmuseum in Münster hängt, Dieses Original ist riesig, es beeindruckt wohl nahezu jeden Besucher durch seine Größe, aber auch durch die Art der Darstellung des gekreuzigten Jesus. Es hat keine Ähnlichkeit mit den weit verbreiteten barocken Kreuzdarstellungen: Jesus schmerzverzerrt , mit Dornenkrone und Wunden, vor allem in der Herzgegend. Diese jahrhundertealten Kreuze sollten den frommen Betrachtet an den leidenden Jesus erinnern und den Betrachter zu einer tiefen inneren Betrachtung und zum Gebet führen.
Das Bockhorster Kreuz hat eine ganz andere theologische Deutung: Hier ist es nicht mehr der schmerzensreiche Jesus, sondern, bei dem schon die Auferstehung und sogar die himmlische Königsherrschaft des Gekreuzigten anklingt. Ich sehe bei diesem Kreuz nicht eigentlich den leidenden Jesus, sondern den,bei dem im Tod bereits die Auferstehung durchscheint. Und die Krone ist bereits auch auf die Zukunft des Gekreuzigten gerichtet. Das scheint mir eine theologisch bessere Deutung zu sein.
Deshalb meine ich Folgendes: Wenn völlig zurecht in Schulen oder Kindergärten, die einen Bezug zum christlichen Glauben haben, keine erschreckenden Leidenskreuze, sondern solche österlichen Kreuze aufgehängt werden, ist das besser. Ich glaube nämlich, dass es für die religiöse Entwicklung von Kindern nicht gut ist, wenn ihnen der leidende als der eigentliche Jesus vor Augen kommt, sondern wenn das Kreuz eben diesen österlichen Charakter hat. Das wird Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen bei der Ausgestaltung ihres christlichen Glaubens helfen. Mir ist es jedenfalls so ergangen, und deswegen schätze ich das österliche Kreuz (mit den Palmsonntags-Attributen!) ganz außerordentlich.