Hölle

Meine Schwester gab mir kürzlich die Kopie eines kurzen Zeitungsberichtes der Süddeutschen Zeitung, deren Abonnentin sie ist. Ich schreibe diesen Artikel wortwörtlich ab: „Wenn ich an die Angst vor der Hölle denke, die mir als Kind von etwa acht bis zehn Jahren von unseren Religionslehrern gemacht wurde, graut es mir heute noch. Mit zwölf Jahren habe ich darum gebetet, sofort nach dem Empfang der heiligen Kommunion sterben zu dürfen – gleich in der Kirche. Nein, mich hat kein Kaplan sexuell missbraucht, das waren aus damaliger Sicht alles ´Pfundskerle`, aber das hat mich für einige Jahre zu einem seelischen Krüppel gemacht, und das ganz legal.“ So schreibt Werner S. aus München. Aber das war kein bayrisches Problem; die Erfahrung, die da geschrieben war, haben wahrscheinlich viele Kinder in Deutschland gemacht, so auch meine Schwester und ich in einem westfälischen Dorf. Auch wurde die Angst vor der Hölle für uns Kinder pädagogisch missbraucht, etwa so: Wenn ihr etwas Böses tut, kommt ihr in die Hölle! Also seht zu, dass euch das nicht passiert; seid brav und gehorsam gegenüber Eltern, Lehrern und Priestern! — Wir hatten eine Ordensschwester, die uns Kindern Religionsunterricht gab; ihr Lieblingsthema war die Hölle, etwa so: „Wenn ihr euren Finger in eine Kerzenflamme haltet, dann merkt ihr, wie weh das tut. Jetzt stellt euch vor, ihr müsstet euer ganzes Leben mit eurem ganzen Körper im Feuer der Hölle schmoren. Könnt ihr euch das vorstellen? Seid also immer brav!“

Ich gebe zu, dass mich diese Ausführungen, die ich als Kleinkind hören musste, mich traumatisiert haben. Meine Schwester, die sehr intelligent war (ist!), sagte zwar mit einer Portion kindlicher Ironie: „Du, die ist da bestimmt schon mal gewesen!“

Meine Angst vor der Hölle war damit nicht beseitigt. Wenn ich meiner Mutter Widerworte gegeben hatte, dachte ich gleich: „Jetzt komme ich in die Hölle!“ und erinnerte mich an das schreckliche Höllenbild von Schwester Eva. Und wie mir ging es auch etlichen anderen Kleinkindern, zumeist jahrelang. Erst vor zwei Jahren haben mir das etwa sechs ältere Frauen in einem Altenheim ganz ähnlich erzählt.

Als ich 1959 im ersten Semester Theologie studierte, habe ich einen grandiosen Theologie-Professor erlebt, Hermann Volk, der später Bischof von Mainz und sogar Kardinal der katholischen Kirche wurde. Viele seiner Worte sind mir noch in lebendiger Erinnerung. In einer Vorlesung sagte er: „Ich glaube, dass es die Hölle gibt, aber ich glaube nicht, dass jemand drin ist.“ Toll! Wir haben später auch im Kreis der Studenten darüber diskutiert, und alle fühlten sich richtig befreit. Das war mal echte Frohbotschaft.

Professor Volk konnte einen schwierigen Zusammenhang in wenigen Worten erklären. Als er gefragt wurde, was das evangelische Abendmahl eigentlich sei, sagte er: „So ganz genau weiß ich das auch nicht. Ich weiß nur: Es ist mehr als nichts!!“ – Danke, Professor Volk!