Ego – Ich!
Seltsam: ich erlebe ziemlich oft, dass hinter mir jemand über die Ludgeristraße geht und laut redet, manchmal sogar noch mit heftigen Handbewegungen. Also: Meint der mich? Ich gehe langsamer, dann überholt der Mensch mich; und ich sehe, dass niemand, kein Gesprächspartner neben ihm hergeht. Und dann frage ich manchmal noch: „Meinen Sie mich?“ Keine Reaktion des Mannes! Er hält weiter sein Selbstgespräch. Oder ist es vielleicht ganz anders? Ich merke bei genauerem Hinsehen, dass der Mann so ein kleines Ding im Ohr hat. Ist das ein Telefon? Oder ein Mikrofon? Oder ein Hörgerät? Egal. Ist mir egal, ob er mit sich selbst redet.
Und dann lese ich vor wenigen Tagen, und zwar in einer bekannten seriösen Zeitung, dass eine ausführliche Befragung von Menschen ergeben hat, dass etwa 96 % der erwachsenen Menschen sagen, dass sie hin und wieder Selbstgespräche führen. Also nicht, was wir eben beobachtet haben, sondern echte Gespräch mit der eigenen Person. Und die Zeitung fügt hinzu, dass das auch ganz wichtig sei, dass ein Mensch auch mit sich selber Gespräche führt, indem er z.B. laut aufbraust, wenn er stolpert „Verdammt noch mal“ oder das Wort, das kein Gegenüber meint, wenn jemand sagt: „Ogottogott!“ Oder die Frau, die vor dem Schaufenster steht und deutlich sagt: „Ah, das wäre doch was für mich!“
Mit Selbstgespräch ist übrigens nicht die Unsitte gemeint, dass man dauernd, wenn man sich mit anderen Leuten unterhält, nur von sich selbst spricht. Manchmal, wenn in meiner Nähe Gespräche stattfinden, z.B. im Gasthof oder an der Omnibus-Haltestelle, stelle ich fest, dass das häufigste Wort „Ich!“ ist. Menschen neigen dazu, viel über sich selbst zu sprechen. Dass muss nicht schlimm sein, wenn man z.B. in einer Sachdiskussion über Politik oder Parteien oder Kirche seine eigene Meinung sagt. Aber wenn man über eigene Reisen, über Krankheiten, über den Umgang mit dem Partner redet, ist das nicht so toll!
Und wenn man in einem Gespräch erwähnt, dass man sich selbst sehr lieb hat, wird man kaum auf ein positives Echo stoßen; Aber das sagt wahrscheinlich niemand.
Dennoch kommen wir jetzt an ein Problem: Jesus sagt: „Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst!“ Will er etwa damit sagen, dass wir zunächst uns selbst lieben müssen, wenn wir andere im gleichen Maß lieben? Überhaupt: Kann ich mein Verhalten, auch mein Verhalten zur mir selbst, auf andere übertragen? Das ist, so meine ich, eine der schwierigsten Stellen der Bibel.
Haben Sie eine Lösung?