Fastentuch
Der Monat März ist in diesem Jahr vom ersten bis zum letzten Tag ein Teil der Fastenzeit, die am 22. Februar begann und am 8. April (Karsamstag) endet. Sie steht, wie ich heute Morgen in einer ausgezeichneten Predigt hörte, unter dem dreifachen Zeichen der Neuwerdung: Fasten – Almosen – Beten. Dazu half dem Christen seit mehreren Jahrhunderten das Zeichen der Fastentücher – oder „Hungertücher“, die in vielen Kirchen des Mittelalters und der Neuzeit während der Fastenzeit aufgehängt wurden, und zwar so, dass sie den Altar verdeckten und erst am Karfreitag die Sicht auf den Altar wieder freigaben. Die Fastentücher waren auch hier in Westfalen bzw. im Münsterland sehr angesagt, weil sie halfen, die Leidensgeschichte Jesu meditativ zu betrachten und zu verinnerlichen
Eines der zeitlich ersten Fastentücher ist das berühmte „Große Fastentuch von Zittau“, das nach meiner Überzeugung eines der großartigsten religiösen Kunstwerke in Deutschland ist. Seit einigen Jahren ist es in Zittau wieder in der Hl.Kreuz-Kirche zu sehen, nachdem es ein fürchterliches Schicksal erlebt hatte. Im bzw. nach dem 2. Weltkrieg wurde es von russischen Soldaten völlig verkommen auf dem Dachboden einer Burg entdeckt und in Einzelteile zerschnitten, die als Duschvorhänge dienten. Nach der Wiederentdeckung wurde es in der Schweiz völlig restauriert, einige Wochen lang in Köln gezeigt und dann wieder an seinen Ursprungsort zurück gebracht Ich habe es mehrmals gesehen, sowohl in Köln als auch in Zittau, und war ganz außerordentlich beeindruckt.; ich durfte sogar 2015 das tuch für eine große Pilgergruppe erklären und interpretieren. Ein Poster mit einer sehr eindrucksvollen Darstellung hängt seitdem in meinem Wohnzimmer, ich sehe es mehrmals am Tag.
Das Zittauer Fastentuch ist von 1573 und ist mehr als 50 Quadratmeter groß. In der Reformationszeit hat es schon sehr gelitten, insofern es von dem Reformator Martin Luther als „päpstliches Gaukelwerk“ bezeichnet wurde. Es ist jünger als das Fastentuch im Dom zu Gurk in Österreich (1478); das Bild, das wir hier zeigen, zeigt das Detail-Bild von der Fußwaschung beim letzten Abendmahl auf dem Fastentuch in Gurk.
Berühmt sind auch die ganz anders hergestellten westfälischen Fastentücher, z.B. in Vreden, in Freckenhorst, in Telgte usw. Und weil in Telgte eine sehenswerte Ausstellung des Telgter Fastentuches im Museum religio stattfindet, ist es möglich, dieses Tuch aus der Nähe zu sehen.
Die Aktion Misereor hat vor einigen Jahrzehnten die Idee des Fastentuches wieder aufgegriffen; in vielen Kirchen ist das jedes Jahr ein neues Misereor-Fastentuch zu sehen und zu meditieren.