Ecclesia und Synagoge
Das Kirchenportal auf dem November-Bild ist ein Seitenportal der Lamberti-Kirche in Münster; wir haben vor einigen Jahren an gleicher Stelle ein Detail des Hauptportals gezeigt, und im Dezember wird ein weiteres folgen. Das Portal befindet sich an der Südseite der Kirche, ist in der Regel geschlossen, aber immer zu betrachten. Auf einem Schriftstück neben dem Portal ist u.a. zu lesen, dass dieses Kunstwerk aus Sandstein ist und um das Jahr 1909 geschaffen wurde. Das hat mich völlig überrascht; denn es ist den Sandstein-Portalen des Mittelalters nicht unähnlich. Der Künstler arbeitete offenbar im Stil der Barockzeit. Dass es erst etwas mehr als 100 Jahre alt ist, ist erstaunlich.
Das Portal zeigt also in Sandstein gehauen eine sehr bedeutende Geschichte der Theologie; das Thema ist „Ecclesia – also Kirche – und Synagoge“ : Christentum und Judentum. Den Mittelpunkt der Darstellung bildet der verurteilte, mit einer Dornenkrone gefolterte Jesus, auf dem Weg zu seiner Leidensgeschichte. Neben im Stehen, so las ich in der Beschreibung, Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist. Das sieht man auf dem Bild nicht genau, zumal unser Foto eine Verkleinerung des Motivs ist.
Und die Gestalten des eigentlichen Themas? Das sind die beiden Frauengestalten daneben,. Links ist die Kirche dargestellt: Sie repräsentiert das Christentum, indem sie das Kreuz trägt und sich Jesus dem Leidenden zuwendet.
Und rechts steht die Frau, die das Judentum darstellen soll. Sie hat die Augen verbunden und wendet sich von Jesus ab. Das ist natürlich eine problematische Darstellung, die aber im Mittelalter sehr geläufig war; an einigen Orten ist sie sogar entfernt, weil man heute das Judentum nicht verletzen und verstoßen will. Das ist richtig. Aber das Bildmotiv war tatsächlich als Affront gegen die Juden gemacht. Juden haben darunter sehr leiden müssen, und nicht nur im Mittelalter, sondern auch im 20.Jahrhundert war der Judenhass sehr ausgeprägt.
Deshalb habe ich für das Bild den Monat November ausgesucht; er steht für die furchtbare Verachtung und Verfolgung, besonders am Gedenktag des 9. November, als 1938 in Deutschland die Synagogen zerstört und viele Juden verfolgt und getötet wurden. Gut, dass das Verhältnis von Ecclesia und Synagoge heute besser ist, aber noch nicht gut genug. Und der wachsende Antisemitismus zeigt: Es ist noch viel zu tun!