Vater, Sohn und…?
Wie soll man den dreifaltigen Gott abbilden, dessen Fest am Anfang dieses Monats gefeiert wurde? Künstler aller Epochen haben sich dabei immer sehr schwer getan, so unterschiedlich ihre Versuche bis heute auch sein mögen.
Bekannt sind Bilder aus der Buchmalerei, in denen der dreifaltige Gott abgebildet wird durch drei völlig identische Personen, die nebeneinander sitzen; ihre Gesichter sind nicht voneinander zu unterscheiden, nur die Bücher, die sie in Händen halten, zeigen verschiedene Texte. Aber, so fragt sich der Betrachter: Ist Gott denn die Summe von drei Gleichen? Ist das nicht auch eine gefährliche Nähe zu einem Mehr-Gott-Glauben?
Auch die „Gnadenstuhl“-Bilder, wohl die bekanntesten Dreifaltigkeits-Bilder des Mittelalters, sind in ihrer Darstellungsform sehr problematisch: Gott Vater thront in der Mitte, meistens mit weißem Bart und langen weißen Haaren, und auf dem Kopf trägt er nicht selten die Tiara, die päpstliche Krone dreifacher Machtausübung. Manche missverständliche Gottesvorstellungen haben hier ihren Ursprung: Gott als der uralte, eigentlich schon ziemlich weltabgewandte alte Mann mehr eine Figur für die Karikatur als für den Glauben. In der Hand hält Gott Vater das Kreuz mit dem Bild seines toten Sohnes, und irgendwo oben schwebt die Taube als Symbol des Heiligen Geistes: ein alter Gott, ein toter Gott und ein tierischer Gott!
Auch wenn das Geistsymbol biblischen Ursprungs ist, ist dieses Tiersymbol manchmal neben den beiden anderen, kraftvollen Gestalten ein wenig kümmerlich: zwei Menschen und ein Tier, das wird auch für viele Menschen ein nur schwer erträgliches Glaubenszeichen sein.
I Urschalling am Chiemsee ist ein Dreifaltigkeitsbild aus dem 14. Jahrhundert zu sehen; der Maler hat das Deckenfresko so geschickt angelegt, dass aus einem gemeinsamen Ursprung drei Gestalten hervorgehen, die einander sehr ähnlich und doch sehr verschieden sind: Vater und Sohn sind leicht zu identifizieren; aber die dritte Person! Das Bild des Heiligen Geistes hat ganz offensichtlich weibliche Gesichtszüge.
Vielleicht wollte der Maler – seiner Zeit weit vorauseilend – deutlich machen, dass im Wesen Gottes nicht nur männliche, sondern ebenso auch weibliche Eigenschaften und Wesensmerkmale enthalten sind, und man denkt natürlich an das berühmte Wort des allzu früh verstorbenen Papstes Johannes Pauls I.: „Gott ist nicht nur Vater, vielmehr er ist auch Mutter!“ Der Maler wird sich dabei der Problematik bewusst gewesen sein: zwei Drittel männlich, ein Drittel weiblich – das kann es ja wohl auch nicht sein!
Heute wird gern darauf hingewiesen, dass das hebräische Wort „ruach“ für „Geist“, aber auch für „Sturm“, „Wind“, „Atem“ steht. Das zu wissen hilft uns vielleicht, mit den Symbolgeschichten vom „Sturm des Geistes“, wie es in der Pfingstgeschichte erzählt wird, besser umzugehen. Aber vor allem wird „ruach“ in der Bibel meist weiblich bebraucht; müsste man also statt „Geist“ richtiger „Geistin“ übersetzen? Und würde das dann tatsächlich bedeuten, dass mit der veränderten Übersetzung auch ein anderer Sinn eingeführt wird?
Der große Altmeister der alttestamentlichen Bibelkunde, Prof. Alfons Deissler, hat einmal darauf hingewiesen, dass „ruach“ an 14 Stellen des Alten Testaments männlich gebraucht wird; wenn man die Stellen nachsieht, merkt man erst, wie schwierig es ist, mit Übersetzungen umzugehen; denn bei den meisten dieser vierzehn Bibelstellen ist weder „Geist“ noch „Geistin“ die richtige Übersetzung, sondern „Sturm“.
Gott ist „alles in allem“; deshalb ist es überhaupt problematisch, Gott mit irgendwelchen Geschlechtsmerkmalen in Verbindung zu bringen; Gott ist weder Mann noch Frau, sondern er ist Gott! Gott weder durch sein Mann-Sein, noch durch sein Frau-Sein definiert werden, sondern nur durch sein Gott-Sein! Gott ist nicht die Summe aus männlichen und weiblichen Eigenschaften, sondern er ist die Einzigartigkeit aller göttlichen Eigenschaften.
Deswegen sind alle Bilder von Gott problembelastet; in der biblischen Urfassung der „Zehn Gebote“ lautet das zweite Gebot: „Du sollst dir kein Bild von Gott machen!“ Und das aus gutem Grund! Gott kann nicht angemessen abgebildet werden; alle Bilder von Gott sind letztlich falsch, auch das von Urschalling!
Ulrich Zurkuhlen (Juni 2004)