Bitten. Und danken.
In der Seitenkapelle unserer Kirche liegt ein Fürbittenbuch. Wir haben ein Schildchen daran gemacht: „Fürbittenbuch! Kein Gästebuch!“ Das war nötig und wohl auch hilfreich, weil manche Leute das verwechselten, z.B. jene „Annegret“, die in das Buch schrieb: „Annegret was here“ oder eine Gruppe von Fahrrad-Touristen, die sich in das Buch eingetragen hatten, um Spuren ihrer Anwesenheit zu hinterlassen.
Aber die meisten Leute wissen, wozu das Fürbittenbuch gut ist. Sie kommen in die Kirche, zünden eine Kerze an und schreiben ihre Bitte, ihr Anliegen, ihre Sorge in das Buch. Es ist gut, wenn man weiß, dass Gott nun „schwarz auf weiß“ die tiefsten Sorgen von Menschen besitzt. Natürlich weiß Gott schon vorher, was Menschen nötig haben, aber wahrscheinlich braucht der Mensch eine solche Dokumentation seiner Hilfsbedürftigkeit. Was Gott schriftlich in seinen Händen hält, wird auch in die Tiefen seines väterlich-mütterlichen Herzens dringen.
„Herr, hilf mir, den richtigen Partner zu finden.“ Und eine Frau schrieb gleich dazu, wie sie sich den Partner vorstellt, damit Gott nicht unter den falschen Kandidaten sucht. „Hilf mir, eine liebevolle Mutter meiner Kinder zu sein.“ „Ich wünsche mir, dass bald mein Herzenswunsch in Erfüllung geht!“ „Gott, lass die Kranken gesund werden und dass ich noch lange gesund bleibe.“ „Guter Gott, ich bitte dich für meine Familie, insbesondere für unseren Enkel.“ Und beim Durchblättern des Buches fällt auf, dass ziemlich oft für die Enkelkinder gebetet wird, vielleicht weil sich gerade die Generation der Großeltern öfters dem Fürbitten-Buch anvertraut.“
„Lieber Gott, führe unsere Familie wieder zusammen.“ Und man ahnt die Geschichte, die hinter dieser Fürbitte steckt.“ „Lieber Gott, gib meinem Mann, der mich verlassen hat, die Kraft zu erkennen, dass sein Zuhause bei mir ist. Führe uns wieder zusammen, ich bin unendlich allein“, so schreibt „Angela“ seit Jahren; immer wieder taucht die Bitte um Rückkehr des Mannes auf. Eine lange Bitte: „Bitte erfülle uns diesen Wunsch. Es wäre unsere Chance, glücklich zu werden. Ich bitte dich so sehr. Alle und alles war bisher gegen unsere Liebe und unser Glück. Lass uns die Chance wahrnehmen auszubrechen, um unsere Freiheit und Zufriedenheit genießen zu können.“ Können Sie sich mit ein bisschen Phantasie ausmalen, welche Geschichte hinter dieser Bitte steckt? Lieber Gott, bitte lass es meinem Opa und meiner Oma gut gehen!“ „Bitte um Kraft und Stärke in meiner Krankheit.“ „Herr, gib mir die Kraft, mein Studium zu einem erfolgreichen Ende zu bringen und damit möglichst bald anzufangen.“ Da bittet also jemand Gott, ihm bei der Beendigung des Studiums zu helfen, das der Jemand offenbar noch gar nicht angefangen hat; wäre es nicht in diesem Fall besser, erst einmal um den Beginn des Studiums zu bitten? „Hilf mir, das Richtige zu tun!“ „Beschütze uns auf allen unsern Wegen!“ „Gott gebe mir Kraft, Mut und Stärke für das, was noch kommt.“ „Ich wünsche Nadine eine Klassengemeinschaft voller Liebe und Mitmenschlichkeit, ein gutes Verhältnis unter den Schülern und mit den Lehrern.“ „Lieber Gott, ich wünsche mir, dass ich noch lange leben kann.“ „Ich möchte gern das Gymnasium schaffen.“ Lieber Gott, hilf mir, dass ich die kommende Chemo gut überstehe.“ „Hilf der armen Hildegard, dass ihr schweres Leiden bald zu Ende geht.“
Neben den Bitten in persönlichen, oft bedrängenden Sorgen liest man auch immer wieder die Fürbitten für die großen Anliegen und Sorgen der Welt: „Ich wünsche mir Frieden auf der Welt!“ „Lass die Liebe immer die stärkste Kraft unter den Menschen sein.“ „Lieber Gott, lass die Menschen sich vertragen und gib ihnen Liebe und Barmherzigkeit.“ „Für alle Opfer, auch von Naturkatastrophen.“ „Für JP II, der so vielen Menschen Freude in der Heimat und in der Welt brachte.“ „Schön wäre es, wenn Menschen auch im Scheitern ihre Selbstachtung bewahren könnten.“ „Guter Gott, lenke alles zum Guten.“ „Halte deine schützende Hand über alle Menschen.“
Es wäre allerdings ein Missverständnis zu glauben, dass in einem Fürbitten-Buch nur Bitten und Sorgen zum Ausdruck gebracht würden; im Gegenteil: Oft findet man, vielleicht sogar öfter als Bitten, Worte des Dankes: „Voll Unruhe kam ich hierhin und hoffe jetzt – gestärkt – den Alltag zunächst nur Heute zu bewältigen danke!“ „Danke, lieber Gott, dass du mir Kraft gegeben hast, über den plötzlich Tod meiner Mutter hinweg kommen zu können. Pass gut auf sie auf!“ „Dank für 30 Jahre gemeinsamer und glücklicher Zeit. Lass deinen Segen auch weiterhin auf unserer Familie ruhen.“ „Für 35 Jahre glücklicher Ehe danken wir dir, großer Gott!“ „Danke für unser gutes Leben. Gib Frieden in der Welt!“ „Danke für alles Bisherige, schütze auch alles Zukünftige!“ „ Danke für alles, was gut geworden ist; danke für Sabrinas Stelle.“ „Danke für die Jahre im Glück!“ „Danke, dass du meine Lieben und mich so gut beschützt hast.“ „ Danke für alle Gnaden!“ „ Danke für all die Dinge, die Liebe, die du mir gabst und geben wirst!“ „Danke für alle guten Mächte und Kräfte des Lebens.“ „Danke, Herr, für deinen Raum der Stille, in dem deine Stimme zu hören ist.“ „Gott, ich danke dir für alles Gute!“ „Lieber Gott, ich danke dir für die vielen Menschen, die mich zur Zeit tragen.“ „Danke, dass wir hier leben dürfen. Danke für meine liebe Frau und für alles, was sie mir gibt. Danke!“
Ulrich Zurkuhlen (Oktober 2004)