Kinder, Kinder…
Vor zwei Tagen bin ich von einer Pilgerreise nach Schweden zurückgekommen, mit 65 Reiseteilnehmer(inne)n. Der Charakter der Pilgerreise bestand nicht nur in dem Pilgerziel Vadstena, wo die heilige Birgitta, die Schutzpatronin Schwedens, begraben ist, sondern auch in der täglichen Eucharistiefeier an besonderen Orten, auch in einigen wunderschönen evangelischen Kirchen des Landes.
Ein eindrucksvolles Erlebnis war Uppsala, nicht nur wegen eines wunderbaren Herbstwetters, auch nicht nur wegen des Gottesdienstes in der Kirche von „Gamla Uppsala“, sondern die Stadt selbst hat uns sehr gut gefallen, nicht zuletzt wegen des regen, quirligen Studentenlebens. Wir haben die Universitäts-Bibliothek besucht mit dem grandiosen „Codex argenteus“, einer gotischen Bibelhandschrift aus dem 6. Jahrhundert, in silbernen Buchstaben auf purpurnes Pergament geschrieben. Wir haben in Uppsala das Grab von Dag Hammersköld, dem tödlichen verunglückten UN-Generalsekretär, einem Mystiker und Politiker, besucht. Und die Kathedrale, die größte Kirche Skandinaviens, im hochgotischen Stil. Wir haben den Dom unter sachkundiger Führung lange besichtigt, auch den Sarkophag des hl. Erik, auch ein Schutzpatron Schwedens.
In einer Seitenkapelle hat die Künstlerin Eva Spangberg einige biblische Szenen nachgebaut: die Geburt des Jesus-Kindes in Bethlehem, die Kreuztragung und auch die Segnung der Kinder. Diese Szene zeigt das „Bild des Monats“. Eltern bringen Kinder, einige Kinder sind so groß, dass sie selbst kommen können. Und ein Kind trägt Jesus auf dem Arm und segnet. Eine anrührende Geschichte.
Bemerkenswert ist allerdings, dass im Evangelium unserer Szene die Belehrung Jesu über das Dienen vorausgeht. Jesus bestürmt die Jünger geradezu, im Dienen ihren Lebensinhalt und Lebenssinn zu sehen. Und dann kommt die Stelle, wo Jesus „ein Kind in die Mitte stellt“ und den Aposteln sagt: „Wenn ihr nicht wie Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich gelangen“. Das ist eine leicht veränderte Variante zu unserem Bild.
Aber stellt Jesus tatsächlich ein Kind in die Mitte? Das Wort für Kind, das griechische Wort „pais“, heißt auch Diener, sogar Sklave. Dann bekäme das Jesus-Wort einen ganz anderen Sinn. Nachdem er über das Dienen gesprochen hat, stellt er einen Sklaven in die Mitte und sagt: Wenn ihr nicht werdet wie ein Sklave, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen. Jesus hatte sich ja bei der Fußwaschung tatsächlich zum Sklaven gemacht, und sein Tod am Kreuz war ja auch ein Sklaventod. Dann bekäme unsere Bibelstelle einen ganz anderen Charakter: Es geht um Dienen, nicht um Kindsein. Allerdings ist dabei zu bemerken, dass Kinder damals in der antiken Gesellschaft oft auch Diener und Sklaven waren, wie es heute in den armen Ländern der Dritten Welt auch noch viele Kinder sind. Jesus will wohl sagen: Seht euch die Kinder an, die dienen müssen. Gott liebt sie, sie sind Gottes besonders geliebte Freunde.
Dann ist allerdings die Szene nicht ganz so idyllisch, wie es unser Bild zeigt.