Bischof Reinhard Lettmann tot.
Das Bild, das ich für den Monat April ausgesucht habe, ist gleichzeitig historisch und aktuell; es hing jahrelang in meinem Büro in der Redaktion der Bistumszeitung. Das Foto ist im Frühjahr 1968 vor der Lamberti-Kirche in Münster aufgenommen. Es zeigt mich mit meinem Vorgänger, nein, nein, nicht als Bischof, sondern Reinhard Lettmann war mein Vorgänger als Bischöflicher Sekretär bei BischofHöffner. Ich kann mich sehr gut erinnern, wie er mich Anfang Oktober 1967 anrief – ich war damals noch Kaplan in Lüdinghausen – und mir sagte, der Bischof möchte mich gern sprechen. Dieses Gespräch war in der darauf folgenden Woche. Bischof Höffner sagte mir, dass sein Sekretär Reinhard Lettmann ja jetzt Generalvikar geworden sei – mit 33 Jahren! – und ich sein Nachfolger als Sekretär werden solle. Ich habe natürlich heftige Bedenken angemeldet, aber im Nachhinein glaube ich: Es war auch ein bisschen Koketterie dabei, ich habe mich ein bisschen geziert, schließlich muss man, so haben wir es gelernt, die Demut wahren und sich als Diener und Knecht zeigen.
Ich habe den Job sehr gern gemacht, zumal Bischof Höffner eine ganz einmalige Persönlichkeit war. Darüber habe ich vor einigen Jahren in Kirche+Leben ausführlich berichtet. Es war ja damals die Zeit der bedeutenden Bischöfe in Deutschland: Döpfner, Höffner, Volk, Wetter, Hengsbach, Aufderbeck, Bengsch und zahlreiche andere; ich habe sie, wenn ich als Sekretär meinen Chef zur Deutschen Bischofskonferenz begleitete, kennen gelernt. Am besten hat mir damals Kardinal Döpfner gefallen.
Zurück zu unserem Bild: Das ist in der schwierigen Zeit der Studenten-Unruhen aufgenommen, als auf dem Prinzipalmarkt die Studenten demonstrierten – rebellierten? Es war in Deutschland eine unruhige Zeit, und nicht nur in Deutschland; besonders in Frankreich waren ja die Studentenunruhen erheblich. Wir standen also vor der Lamberti-Kirche und haben das Treiben von weitem beobachtet; es war eine angespannte Situation, und ich gestehe, dass ich auch ein bisschen Angst hatte vor dem, was kommen würde. Unsere Blicke verraten ja etwas von dieser Sorge.
Die Folgen von „1968“ sind je bekannt, es rumorte in der Gesellschaft, Autoritäten wurden infrage gestellt und bekämpft. Und als der Spuk dann auch auf die Schulen übergriff, wo dann „Vietnam-Gruppen“ und andere linkspolitische Gruppen gegründet wurden, wurde es bisweilen sehr ungemütlich. Auch die Kirche hatte unter der gesellschaftlichen Entwicklung zu leiden, auch die kirchliche Moral, auch die soziale Tätigkeit der Kirche, auch die vom Geist des Evangeliums geprägte Pädagogik.
Es soll allerdings auch nicht verschwiegen werden, dass es 1968 ein gewaltiges innerkirchliches Problem gab: die Enzyklika „Humanae Vitae“ von Papst Paul VI. Es ging um Empfängnisverhütung, und der Papst lehnte alle „künstlichen“ Verhütungsmittel scharf ab, was insofern problematisch war , als auch viele katholische Frauen sich längst an die „Pille“ gewöhnt hatten. Ich glaube sogar, dass damals ein Bruch durch die Kirch ging, der bis heute nicht geflickt ist.
Ich habe Bischof Reinhard später oft getroffen, und ich habe ihn immer sehr geschätzt. Jetzt bete ich für ihn, dass er bei Gott seine Ruhe finden möge.