Das neue Geld – vor 65 Jahren!
Ich habe die Tageszeitung DIE WELT vom 19. Juni 1948 aufbewahrt. Warum ich mir als Neunjähriger diese Zeitung besorgt habe, weiß ich nicht. Oder habe ich sie von meinem Großvater, der Geschäftsmann war, übernommen? Jedenfalls bewahre ich diese inzwischen vergilbte Zeitung seitdem auf. Der 19. Juni 1948 war der Tage vor der Währungsreform, in der Nacht darauf, also am 20. Juni 1948, wurde die Reichsmark ungültig, die neue Deutsche Mark trat an ihre Stelle. Die alte Reichsmark war tatsächlich nicht mehr viel wert, nur ein Fetzen Papier, seitdem Hitler Milliarden Mark für den Krieg verpulvert hatte. Ein prominenter Währungsmann nannte die Reichsmark „Papierfassade“.
Am 20. Juni bekam jeder 60 Deutsche Mark. Dass man bis dahin so gut wie nichts kaufen konnte und am 20. Juni plötzlich alle Schaufenster gespickt voll mit schönen neuen Sachen waren, hat damals vielen Leuten nicht gefallen. Ich erinnere mich, wie die Erwachsenen in unserer Familie über eine Predigt unseres Vikars Heinrich Tenhumberg, später Bischof von Münster, diskutierten; er hatte offensichtlich diesen Trick der Geschäftsleute, die in der Nacht zum 20. Juni ihre Schaufenster neu dekoriert hatten mit Waren, die sie schon lange gehortet hatten, aber bis zum neuen Geld den Leuten vorenthielten, heftig kritisiert; er hatte Recht.
Das neue Geld war wertmäßig nicht mit der heute gültigen Deutschen Mark zu vergleichen. Man bedenke: Am 20. Juni bekam jeder eine erste Rate von 40 DM, dann, zwei Monate später, die zweite Rate von 20 DM. Das bedeutete: Von 40 DM musste jeder zwei Monate leben. Es wäre mal interessant zu vergleichen, wie hoch der tatsächliche Warenwert damals war und heute ist.
Später konnte das alte Geld im Kurs von 1 zu 7 gegen das neue Geld eingetauscht werden. Das war nicht wenig. Man bedenke: Wer 700 Reichsmark hatte, bekam im Laufe der Zeit dafür 100 Deutsche Mark. Viele Leute hatten ihre Sparbücher bis zur Währungsreform gerettet; sie wurden schnell relativ DM-reich. Und das Wirtschaftswunder begann zu greifen.
Insofern war die Währungsreform ein heftiger Einschnitt in die gesellschaftlichen Verhältnisse der Deutschen: der Start zu neuer Prosperität, aber auch der Beginn einer Geschichte, in der die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer wurden. Es begann aber auch damals der „Tanz um den Götzen Geld“, der heute ungeahnte Ausmaße angenommen hat. Das Geld ist der neue Gott für viele Menschen, denen der „alte“ Gott nichts mehr bedeutet. Insofern war die Währungsreform ein historischer Wandel in der Mentalität der Deutschen.