La Salette
Vor einigen Wochen war ich mit dem Bayrischen Pilgerbüro in einigen Wallfahrtsorten der französischen und Schweizer Alpen. Der Höhepunkt: Der herrliche Marienwallfahrtsort La Salette, etwa 1700 m hoch in Frankreich. Ich war völlig fasziniert und erinnerte mich daran, dass ich im Oktober 1985 schon mal dort gewesen war. Es war damals so heiß oben in den Alpen, dass etliche Leute unserer Wallfahrtsgruppe hinterher einen Sonnenbrand hatten. Das Kloster ist seitdem sehr erweitert, weil auch unzählige Pilger aus der ganzen Welt dorthin kommen. Neu war z.B. eine riesige Pilgerherberge mit sehr kleinen schlichten Zimmern; ich konnte nicht in meine Dusche, weil der Zugang zu eng war. Ich bin eigentlich nicht extrem fett, aber diese schmale Tür entsprach in keiner Weise meinen Körpermaßen.
Man erzählt sich dort, dass am 19. September 1846 in den Alpen die Gottesmutter den beiden armen Hirtenkindern Melanie und Maximin erschienen sei und ihnen eine Botschaft gegeben habe, die die beiden Kinder weitergeben sollten. Es ist einen rührende Geschichte. Eigentlich kannten sich die Kinder nicht, aber weil die konkrete Situation es erforderte, trafen sie zufällig zusammen, und sie trafen dort oben die Gottesmutter. Oder besser: Sie traf die beiden Kinder. So weit so gut.
Aber jetzt kommt natürlich manche Überlegung, auch mancher Zweifel, zumal die Veröffentlichung der Botschaften noch im 20. Jahrhundert von Rom verboten war, noch im Jahr 1915 unter Androhung schwerster Kirchenstrafen. Die herrliche Bergwelt, die abendliche Lichterprozession, der eindrucksvolle Kreuzweg: Muss man die Geschichte von La Salette glauben? Man die Frage nicht eins zu eins beantworten. Aber man sollte schon als aufgeklärter Christ des 21. Jahrhunderts bedenken, was der bayrische Pfarrer Josef Hanauer in seinem Buch „Wunder oder Wundersucht?“ geschrieben hat. Er weist darauf hin, dass alle uns bekannten „Erscheinungen“ nur von Maria berichtet werden. Nicht von Jesus, nicht von Petrus, nicht von Johannes. Wieso hat nur Maria die Aufgabe, die Erde zu besuchen und Botschaften zu verbreiten? Wir wollen an dieser Stelle einige bösartige Witze zu diesem Thema übergehen.
Aber es sind immer Kinder, denen die Gottesmutter in sehr menschlichen Weisen erscheint: Lourdes, Fatima, Heroldsbach, La Salette .…Es ließen sich noch andere Beispiele anführen. Sind es äußerlich sichtbare Begegnungen, oder sind es Visionen im Inneren von Menschen, die in einer schlichten Gläubigkeit erzogen sind und nun zutiefst etwas spüren, was objektiv und für andere Menschen nicht wahrnehmbar ist?
Egal! Wer in La Salette war, wird die Erinnerung an das Ereignis nicht verlieren, egal ob es sichtbar oder innerlich war.
Ich denke übrigens an ein Ereignis, dass sich in den sechziger Jahren im Collegium Borromäum in Münster ereignet hat: Der Domkapitular Reinhold Friedrichs, den ich übrigens sehr geschätzt habe, war im Borromäum, heute Priesterseminar, auf der untersten Treppenstufe gefallen und lag nun am Boden. Die Schwestern kamen angerannt, um ihm zu helfen. Aber er wehrte sie ab; er sagte: “Bitte fassen Sie mich nicht an, ich habe Erscheinungen!“ Die Schwestern fielen entzückt in de Knie und sandten ihren Blick zum Himmel. Und Domkapitular Friedrichs fügte hinzu: „…Alterserscheinungen!“
Ulrich Zurkuhlen
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